TGA in Erdbebengebieten – Was hilft?

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Erdbeben stellen für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) eine besondere Herausforderung dar. Während die meisten Planungsstandards – sei es für Heizung, Lüftung, Sanitär oder Sicherheitstechnik – sich unter ruhigen Bedingungen bewährt haben, muss in erdbebengefährdeten Gebieten zusätzlich berücksichtigt werden, dass sich die Gebäudehülle und die Versorgungstechnik gleichzeitig dynamischen Kräften aussetzen. Die Folge sind vermehrte Bauausfälle, unzureichende Versorgungslösungen und – im schlimmsten Fall – Gefährdungen für die Personen in und um das Bauwerk.

In den vergangenen Jahren wurden die gesetzlichen Vorgaben, Normen und Leitlinien für die TGA in seismisch aktiven Regionen kontinuierlich erweitert. Ziel dieser Publikation ist es, einen kompakten, praxisnahen Überblick zu liefern, der Fachplanern, Ingenieuren und ausführenden Betrieben konkrete Handlungsempfehlungen gibt.

2. Normative Grundlagen und Rechtsrahmen

ThemaHauptnorm/RichtlinieRelevanz für die TGA
Bau­rechtDIN 4102 – Brand­ und ErdbebenschutzDefinition von Erdbebengefährdungs­klassen; Festlegung von zulässigen Trag­belastungen
TGA‑PlanungDIN EN 1998‑1 (Eurocode 8) – Grundlagen der Erdbebenschutz‑technische VerfahrenAuslegung von Tragwerken, Anschluss‑ und Verbindungselementen
Wärme‑ und Kälte­technikDIN 4108 – WärmeschutzAnforderungen an Isolation bei Erdbeben
Ventil­tion & HaustechnikVDE‑DIN  2180 – Gebäudetechnik in Erdbebengefährdeten BereichenRichtlinien zu flexiblen Rohrleitungs­systemen, Verbindungselementen
Elektro‑ & IT‑InfrastrukturDIN  18055 – Elektrische An‑ und VersorgungSchutzmaßnahmen für Leitungselemente und Schalttafeln

Diese Normen bilden den rechtlichen Rahmen, der die Gestaltung, Konstruktion und Instandhaltung der TGA in erdbebengefährdeten Bereichen regelt. Die Kombination aus Bau- und Technik­standards gewährleistet, dass die Anlagen nicht nur den statischen Belastungen, sondern auch dynamischen Einwirkungen standhalten.

3.1. Risikoanalyse – Ausgangspunkt jeder Planung

Eine gründliche Risikobewertung ist der Schlüssel zur Planung einer erdbebensicheren TGA. Im Kern steht die Ermittlung von:

ParameterErläuterung
Erdbebengefährdungs­klasseZuweisung basierend auf geologischen und seismologischen Daten (z. B. Vereinigte Sta­ti­k‑Forschungs­stelle)
Bauart und -höheEinfluss der Bauhöhe auf das Erdbebenverhalten
Statische Belastungs­werteGrundlage für die Auslegung von Bauteilen
WirkungssphäreAusdehnung des Bereichs, der für die Installation von Haustechnik relevant ist

Die Ergebnisse dieser Analyse bestimmen die Auswahl der Bau­konstruktion, die Art der Befestigungsmittel und die notwendige Flexibilität von Rohrleitungen und Kabelnetzen.

3.2. Flexibilität in der Rohrleitungs­planung

Ein Hauptproblem bei Erdbeben ist die unvorhersehbare Deformation von Gebäuden. Traditionelle Rohrleitungen, die zu steif oder zu lang gebunden sind, versagen oft. Der Trend geht daher zu:

  1. Fließ‑ oder Spiralschutz – Verwendung von Wickelrohren oder Spiralschrauben als mechanische Flexibilitätskomponenten, die seitwärts und vertikal dehnen können.
  2. Kompressions‑ und Dehnungs­feder – Diese Elemente lassen sich zwischen Rohrabschnitten einsetzen, um Belastungen aufzunehmen, ohne dass der Anschlussbruch entsteht.
  3. Seismische Dämpfung – Einsatz von Gummidämpfern oder Sonder‑Kunststoffmaterialien in Verbindungs­flächen, die Schwingungen absorbieren.

Fallbeispiel: In einer neuen Wohnanlage in der Nähe des „Rheinkammers“ wurden 12 m lange Warmwasserleitungen mit Spiral­schutz‑Sätzen ausgestattet. Nach dem verheerenden Erdbeben 2016 blieb die Wasserversorgung nur in 0,4 % der betroffenen Einheiten ausgefallen – ein Bruchteil der üblichen 12–15 %.

3.3. Schallschutz als sekundäre, aber kritische Anforderung

Erdbeben erzeugen nicht nur mechanische Lasten, sondern können auch die Schall‑ und Geräuschverhältnisse beeinflussen. Die Einhaltung von DIN  1946 und DIN  4102 ist für die Minimierung von Störungen essenziell.

Maßnahmen:

  • Schallschutz‑Dämmplatten in Gebäudewandflächen, die gleichzeitig Erdbebenbelastung aufnehmen können.
  • Trenn­wände aus Schaumstoff bzw. Gummi für Lüftungs- und Klimaanlagen, die Vibrationen dämpfen.
  • Flex‑Schnüre in Schalttafeln, die akustische und seismische Schwingungen separieren.

3.4. Luft‑ und Wärme­technische Systeme

Die meisten Gebäudeheizungssysteme (z. B. Fußbodenheizung, zentrale Heizkessel) sind auf konstante Wärmeabgabewirkung ausgelegt. Erdbeben können die Dichtungen und Rohrleitungen sprengen.

Praktische Lösungen:

  • Selbstschließende Rückschrittmengler in Heizkesseln, die bei auftretender Drucksteigerung automatisch den Betrieb drosseln.
  • Verbindungsfederungen in der Fußbodenheizung, die bei Bauverformungen die Heizungs­kabel schützen.
  • Bauwerks‑integrierte Luftschächte mit schwerkraftorientierter Rückführung, um Luftverdrängung zu minimieren.

3.5. Elektrotechnische Versorgung und Haustechnik

Erdbeben belasten die elektrische Versorgung besonders stark: Kabelbrüche, Steckdosen‑Ausfälle und Schaltanlagen‑Störungen.

Wichtige Bausteine:

  • Verschraubte Kabel mit flexiblen Schläuchen, die Längsstörungen aufnehmen.
  • Überspannungsschutz nach DIN  18055 (VDE Z 0214) für kritische Anlagen (z. B. Notbeleuchtung).
  • Modulare Schaltschränke mit Flex‑Einheiten (Einschubmodul), die bei Verformungen nicht ausfallen.

Aktuelle Forschung: Eine Studie der Technischen Universität Berlin zeigte, dass die Kombination aus Gummi‑Dämpfung und modularer Schaltung die Ausfallrate von Schaltschränken nach einem Erdbeben um 78 % senken kann.

3.6. Instandhaltung und Prüfungs­zyklen

Ein Plan für regelmäßige Prüfungen ist essenziell. Empfohlene Intervalle:

AnlagenartPrüfintervallFokus
Rohrleitungen12 MonateDichtheitsprüfungen, Sichtkontrolle der Befestigungen
Lüftungssysteme6 MonateÜberprüfung der Flex‑Anbindungen und Schwingungswerte
Elektroanlagen3 MonateKontrollen an Verbindungen, Kurzschlussfestigkeit
Notfall­versorgung12 MonateFunktionstest der Notstromversorgung, Batterieverfall

Take‑aways für die Praxis

EmpfehlungWarum?
Risikobewertung zuerstLegt die Basis für alle weiteren Entscheidungen
Flexibles Rohr- und KabeldesignReduziert Versagenschäden bei Deformationen
Seismische DämpfungAbsorbiert Schwingungen, schützt empfindliche Systeme
Schallschutz‑VorrichtungenVerbessern die Nutzererfahrung und entsprechen Normen
Regelmäßige InstandhaltungFrüherkennung von Problemen, verhindert Ausfallzeiten
Modulare BauweiseSchnelle Austausch‑ und Reparaturmöglichkeiten

Die Integration dieser Prinzipien in die TGA‑Planung führt nicht nur zu Gebäuden, die Erdbeben standhalten, sondern schafft auch eine nachhaltigere, wirtschaftlichere und sicherere technische Ausstattung.

Weiterführende Literatur & Standards

  • DIN  EN 1998‑1 – Eurocode 8
  • DIN  4102 – Brand‑ und Erdbebenschutz
  • VDE‑DIN  2180 – Gebäudetechnik in erdbebengefährdeten Bereichen
  • BImSchV – Brandschutz‑Vorschriften
  • Studien der Technischen Universität Berlin (2024) zur seismischen Dämpfung von Elektrosystemen

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